Pressekonferenz von EFET Deutschland
E-World, Essen, 12.02.2020
GASHANDEL
Marktgebietszusammenlegung Transparenz zum Prozess schafft Vertrauen – weiter so!
Die 20er Jahre haben begonnen und die Zusammenlegung der Gasmarktgebiete steht praktisch vor der Tür: Sollte kein großer Stolperstein mehr dazwischenkommen, so werden am 1. Oktober 2021 die heutigen Marktgebiete von Net Connect Germany und Gaspool miteinander verschmolzen sein. Der aus derzeitiger Sicht etwas hochgegriffene Name Trading Hub Europe (THE) wird sich dann mit einer noch zu bestimmenden Größe der Entry-Kapazitäten dem Gashandel in Deutschland stellen. Wie EFET Deutschland mit Unterstützung des Beratungsunternehmens Wagner, Elbling & Company (WECOM) zeigen konnte, wird der Europäische Anspruch des THE aber kaum zu erfüllen sein, falls die verfügbaren Entry-Kapazitäten im Durchschnitt unterhalb von 84% des heutigen Niveaus liegen sollten .
Bei der letzten E-World hatten wir die Beteiligung der Händler eingefordert, diese trägt nun Früchte. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten bildet sich der von den Fernleitungsnetzbetreibern gesteuerte Prozess, nun deutlich transparenter und mit vielen Gelegenheiten zum Austausch heraus. „Die Kommunikation hat sich deutlich verbessert und die Netzbetreiber haben den dringenden Appell des Marktes, miteinbezogen und nicht nur informiert zu werden, tatsächlich in die Tat umgesetzt“, so Joachim Rahls, Vorsitzender der German Task Force Gas bei EFET Deutschland.
Doch auch nach rund 18 Monaten voller Workshops, Diskussionen und mehrere Konsultationen zur Abwicklung der neu angedachten markt- und netzbasierten Engpassinstrumente sowie die Klassifizierung der Kosten ist der Wunschzettel von EFET Deutschland immer noch lang: Wichtig ist eine rechtzeitige und zufriedenstellende Kommunikation in Richtung Markt über die Website von THE sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Nicht nur der Marktgebietsverantwortliche, sondern auch die Bilanzkreisverantwortlichen müssen ihre Systeme fristgerecht auf die neue Gashandelsplattform einrichten. In Sachen Regelenergie sollte die Beschaffung aus Sicht des Handels weitestgehend über die Börse erfolgen. Dazu sind ausreichend große Regelenergiezonen zu bilden, die sich durch einen neuen Zuschnitt nicht mehr an den Netzgrenzen der einzelnen Fernleitungsnetzbetreibern orientieren. Eine Blackbox stellt die Ermittlung der Liquiditätspuffer von THE dar, mit dessen Hilfe Außenstände finanziert werden, die durch eine unvorgesehen hohe Konvertierung oder SLP/RLM-Bilanzierung entstehen. Hier wünscht sich der Markt eine nachvollziehbarere Berechnungsgrundlage und zeitnahe Berichte.
„Selbst wenn das größte Problem der Verfügbarkeit von Kapazität ins neue gesamtdeutsche Gasmarktgebiet mit der nächsten Jahresauktion auf der Kapazitätsplattform PRISMA gelöst sein sollte, sind noch viele Fragezeichen zu beantworten und Dinge umzusetzen, dass es mit dem übernächsten Gaswirtschaftsjahr erfolgreich in einen gemeinsamen Markt startet,“ sagt Joachim Rahls.
Herkunftsnachweise Gas
Bitte keinen nationalen Alleingang, sondern eine europäische Lösung
Endlich bewegt sich etwas in Richtung Handel mit Herkunftsnachweisen (HKN) im Gasbereich. Bislang war dieses Instrument nur dem Strom vorbehalten. Dort dürfen Herkunftsnachweise dann ausgestellt werden, wenn der Strom noch keine preisliche Förderung über das EEG erhalten hat. Mit der Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Energien-Richtlinie II (RED II) kommt auch beim Gas Bewegung in die Sache: Erstmals sollen EU-weit in den Mitgliedstaaten Herkunftsnachweise für Gas eingeführt werden. Der Weg zu einem echten Handel ist aber noch weit: „Ohne eine Gas-Kennzeichnungspflicht und eine Definition, was unter blauem, türkisen oder grünen Gas genau zu verstehen ist, kann kein Markt entstehen.“, bezweifelt Joachim Rahls, Vorsitzender der German Task Force Gas. „Hier ist Transparenz für die Endkunden über den genauen Energiemix das A und O, damit spezielle Tarife geschaffen werden können. Genau hier liegt doch der Mehrwert von HKN.“, so Rahls weiter. Wichtig ist, dass man auch bei Gas das Prinzip des Doppelvermarktungsverbots beibehält, das heißt nur noch nicht geförderte Energien einen HKN erhalten können. „Im Klartext bedeutet das, dass etwas grüner Wasserstoff nur mittels Umwandlung von Strom-HKN in Gas-HKN erfolgen kann. Dadurch wird ein Anreiz gesetzt, neue Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarem Strom ohne Marktprämie zu bauen bzw. nach EEG-Förderende weiter zu betreiben.“, beschreibt Joachim Rahls den Wirkmechanismus.
Gas-HKN sollten wie Strom-HKN getrennt von der Commodity handelbar sein, damit ein europäischer und liquider Markt und nicht national abgeschottete Märkte entstehen. Dies ist in der RED II ausdrücklich vorgesehen. Die kleinteilige nationale Umsetzung inklusive Zuständigkeitsfragen zwischen den jeweiligen Behörden, stellt aus Sicht von EFET Deutschland eine erhebliche Gefahr für einen funktionierenden europäischen Handel dar. Zu klären ist zudem noch das Verhältnis zwischen Herkunftsnachweisen und dem Europäischen Emissionszertifikatehandel ETS. Schafft man einen dem ETS vorgelagerten HKN-Markt, um seine Verpflichtungen zum Kauf von EUA zu reduzieren, ist die Gefahr für Preisverzerrungen sehr groß.
STROMHANDEL
Weiterentwicklung Regelenergiemarkt
Anpassungen mit Augenmaß, statt Augen zu und durch
Der Umbau des Regelenergiemarktes schreitet weiter voran und erweist sich als wahre Mammutaufgabe. Denn im Zuge der Umsetzung des europäischen Zielmodells nach der Electricity Balancing Guideline EBGL steht eine weitere Reform des deutschen Regelenergiesystems ins Haus: Die Einführung des Regelarbeitsmarktes. Der Änderung ist überfällig und soll nun im November erfolgen. Sie sieht die getrennte Beschaffung von Regelleistung und Regelarbeit vor. Die ÜNB haben zwischenzeitlich Details zum geplanten Prozess sowie die erforderlichen technischen Änderungsbedarfe vorgestellt. Und es ist klar: das wird auch bei den Marktteilnehmern umfangreiche Anpassungen erfordern. Deshalb ist für das Gelingen ein transparenter Dialog gerade zwischen den ÜNB und dem Markt weiterhin erforderlich.
Ebenso ist es wichtig, dass die Anpassungen in das europäische Umfeld eingebettet sind, damit die deutschen Marktteilnehmer nicht schlechter gestellt werden. Das gilt auch für die übrigen Umsetzungsmaßnahmen, die im Rahmen der EBGL noch bis 2022 anstehen. Immerhin wird der deutsche Regelenergiemarkt bereits seit Jahren immer wieder weiterentwickelt. Und genau dazu hat der Markt im Rahmen zahlreicher Konsultationen der Übertragungsnetzbetreiber und der Bundesnetzagentur in den vergangenen Monaten umfangreichen Input leisten. Ein Beispiel, bei dem es sich gelohnt hat, ist die Anpassung der Börsenpreiskopplung zur Berechnung des Ausgleichsenergiepreises: „Wir freuen uns, dass unser Vorschlag dazu aufgenommen wurde.“, so Dr. Bernhard Walter, Vorstandsvorsitzender von EFET Deutschland. „Es ist allen klar, dass die aktuelle Regelung zur Börsenpreiskopplung angepasst werden sollte. Denn sie zieht nur die Stundenprodukte in Betracht und eben nicht die Viertelstunden-Produkte; aber die Liquidität gerade in diesen Produkten ist zwischenzeitlich sehr gut. Dies wird nun angepasst und die letzten Details einer aktuellen Konsultation geklärt“, so Dr. Walter.
Umsetzung Clean Energy Package
Die deutsche Strompreiszone steht im Fokus
Sie ist aus Handelssicht sicher eines der zentralen Themen aus dem EU Clean Energy Package: sie sogenannte 70 %-Regelung, wonach dem Stromhandel bis 2025 mindestens 70 % der Grenzkuppelkapazitäten zur Verfügung gestellt werden müssen. Andernfalls muss über einen Neuzuschnitt der Gebotszone nachgedacht werden.
Genau deshalb hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Action Plan vorgelegt, in dem es einen Maßnahmenkatalog vorschlägt, wie dieser Wert schrittweise bis 2025 erreicht werden kann. Zielsetzung ist die Beibehaltung der liquiden deutschen Strompreiszone. „Die gesetzten Prioritäten im Aktionsplan sind richtig und uns ist klar, dass deren Umsetzung auch einen enormen Kraftakt darstellen.“ so Dr. Bernhard Walter, Vorstandsvorsitzender von EFET Deutschland. „Gleichzeitig sollte allen bewusst sein, welche negativen Auswirkungen ein Preiszonensplit auf den Markt hätte. Eine erhebliche Reduktion der Liquidität, das Ausscheiden von Marktteilnehmern und damit reduzierte Risikoabsicherungsmöglichkeiten, das haben die Gebotszonentrennungen in anderen Ländern gezeigt. Das sind volkswirtschaftliche Kosten, die letztlich alle tragen müssten“, warnt Dr. Walter.
Gleichzeitig erwarten wir als Händler aber auch, dass dem Thema Transparenz zu den Maßnahmen mehr Bedeutung beigemessen wird. So ist es für den Markt wichtig, Informationen zu den diesbezüglichen Marktaktivitäten der Netzbetreiber zu bekommen. Dies gilt für geplante Countertrading (=grenzüberschreitendes Redispatching)-Maßnahmen genauso wie Redispatchmengen, die über die Börse abgewickelt werden. „Aber diese Informationen sind für die Marktteilnehmer von großer Bedeutung, um das laufende Marktgeschehen richtig einzuschätzen und die Effizienz des deutschen Strommarktes zu gewährleisten. Da wünschen wir uns mehr Details“, erläutert Dr. Bernhard Walter.
SEKTORKOPPLUNG
Netzbetreiber versus Markt: Keine Power-to-X-Anlagen im regulierten Geschäft!
Dürfen Netzbetreiber in die Produktion von Wasserstoff und grünem Gas einsteigen? „Diese Frage hat uns bei EFET im vergangenen Jahr sehr bewegt“, so Dr. Bernhard Walter, Vorstandsvorsitzender von EFET Deutschland. Auch wenn derzeit Übertragungsnetzbetreiber der BNetzA mehrere größere Projekte zur Genehmigung vorgelegt und sie über den Weg der Reallabore eine Bundes-Förderung beantragt haben, hat sich an den rechtlichen Prämissen und den negativen Auswirkungen für den Binnenmarkt nichts geändert. „Die Umwandlung von Erneuerbaren-Strom in eine beliebige Menge Wasserstoff oder grünes Gas ist eine Dienstleistung, die der Markt am besten bereit stellen kann.“, so Dr. Walter auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes auf der E-World in Essen abschließend.
EFET beschäftigt sich deshalb intensiv damit, welche Barrieren aktuell für den Markt bestehen und wie diese behoben werden können. Die Marktfähigkeit wird stark vom Ordnungsrahmen geprägt, der nicht durch technologiespezifische Vorgaben ersetzt werden darf. Erzeugung, Verbrauch und Netz müssen technologieoffen so synchronisiert werden, dass Handel möglich bleibt. Das Interesse an der Ausschreibung der Reallabore hat gezeigt, dass der Markt bereit ist, mit entsprechenden, sektorübergreifenden Rahmenbedingungen solche Anlagen zu realisieren. Es ist nicht Aufgabe der Netzbetreiber, Erneuerbare Energien über Energiekopplung im Wettbewerb mit dem schleppenden Netzausbau zu integrieren und damit letztlich gehandelte Energiemengen zu beeinflussen.
Aus diesem Grund hat auch EFET Europa eine Studie bei Frontier Economics in Auftrag gegeben. Erste Ergebnisse werden auf der E-World am 12. Februar 2020 vorgestellt.